Diakonie in Wendelstein
20 Jahre Haus der Diakonie
Vom Wesen der Diakonie in der Geschichte der Kirche
Die Sorge um die Schwächeren des Gemeinwesens ist seit alters ein Markenzeichen christlicher Lebensgestaltung. Inspiriert durch das Reden und Handeln Jesu, kennzeichnet bereits die ersten christlichen Gemeinwesen dieser Grundgedanke.
Angefangen von der Urgemeinde, dem Teilen bei den Mahlfeiern, dem Dienst der extra eingesetzten Diakone zur Versorgung von Witwen und Waisen bis zu dem Dienst der Ordensgemeinschaften in all den nachfolgenden Jahrhunderten, der Installation des gemeinen Kastens, dem Dienst der Heiligen, in deren Biographie häufig der besondere Einsatz für Arme und Kranke vorkommt. Man denke hier an das Leben der Ortspatrone in Wendelstein, Wolfgang, Georg, Achahildis, Nikolaus, aber natürlich auch an Laurentius zum Beispiel. Stiftungen reicher Familien als Ausdruck ihres Glaubens kamen hinzu. Denken wir hier neben den Rieters, den Hofers und den Groß besonders an die Idee, die sich mit dem Nürnberger Heiliggeistspital verband, einem Ort der Fürsorge und der Pflege von Alten und Siechen.
Deutlich wird dabei im Durchlauf der Jahrhunderte, wie sich das Bild des Schwachen einer Gesellschaft, dessen, der Hilfe braucht, jeweils unterschiedlich darstellt. Ebenso natürlich das Hilfespektrum, das eine Gesellschaft in ihrer christlichen Verantwortung zu schaffen in der Lage ist. Das sieht zu Zeiten unseres Sozialstaates anders aus, als zu Zeiten, in denen es keine Krankenversicherung, keine Altersversorgung, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und dergleichen gab. Viel christliche Privatinitiative wurde eingebracht, um je zu ihrer Zeit Nächstenliebe zu leisten, bis zumindest bei uns, der ganze Staat dem Sozialprinzip verschrieben hat.
Waren es am Anfang der Geschichte der Diakonie in der Urgemeinde hauptsächlich Witwen und Waisen, die sozial am Rande standen und versorgt werden mussten, kamen sofort Aussätzige in den Blick, die, obwohl sie aus Schutz für die Gesunden isoliert leben mussten, zumindest mit Nahrungsmitteln versorgt wurden. Ich greife nur ein paar Beispiele heraus.
In späteren Jahrhunderten forderte die Pest besondere Hilfestrukturen. Die religiösen Auseinandersetzungen und Kriege und in deren Folge die Vertreibung Andersgläubiger forderte Maßnahmen, um den Flüchtlingsströmen Herr zu werden und die Flüchtlingszüge auf ihrem Weg zu unterstützen.
Zugespitzt kann man sagen, jede Zeit produziert ihre Not und hat nicht zu beeinflussende Faktoren, wie etwa Katastrophen u. ä. zu ertragen, die jeweils andere Menschen und Gruppen von Menschen auf die Hilfe der Allgemeinheit angewiesen sein lassen.
Heutzutage sind dabei häufig nicht nur Einzelschicksale betroffen, sondern es entstehen strukturelle Probleme, die ganze Gruppen von Menschen betreffen. (Migrationsdebatte, Mindestlohndebatte, Arbeitslosigkeit, Bildungsinitiative, etc.)
Liest man das Angebotsspektrum eines örtlichen Diakonischen Werkes oder des örtlichen Caritasverbandes einer Großstadt ist man erschüttert von der Tragweite sozialer Hilfebedürftigkeit unserer Zeit, trotz aller sozialen Errungenschaften.
Da steht Kinderbetreuung neben der Sorge um Asylbewerber und Strafentlassene, und Schwangerschaftskonfliktsituationen, Kranken- und Altenpflege neben Einrichtungen für Behinderte und Jugendliche, psychisch Kranke, Katastrophenhilfe, Hilfe für Hungernde. Dabei merkt man auch, wie manch praktizierte Etikettierung und Begrifflichkeit von Schwach, Not, Krank, Arm problematisch wird, weil sie ausgrenzt.
Es ist aber geradezu ein Phänomen unserer Zeit, wie Notsituationen und Hilfebedürftigkeit sich quer durch die Gesellschaft ziehen, Menschen aller gesellschaftlichen Schichten, zumindest periodisch betreffen kann und zugleich eine globale Dimension entwickelt, in der der Hunger in einem Land der dritten Welt plötzlich mit unserem Wohlstand verknüpft zu sehen ist.
Es gehört zu allen Zeiten zu den Aufgaben der Diakonie, neu wahrzunehmen, wo Menschen Hilfe brauchen und zu definieren, welche Hilfe angemessen ist. Aber genauso gut gehört es zu den Aufgaben der Diakonie, neben dem inneren Antrieb des einzelnen Christen, helfen zu wollen und selbst dabei Hand anzulegen durch Spenden und ehrenamtlichen Dienst, auch sicherzustellen, dass jedwede Hilfe nicht nur gut gemeint, sondern sachgerecht, fachgerecht, eben professionell gestaltet wird und dabei auch das gesamte Gemeinwesen, Staat und Kommune in die Hilfe mit einbezogen ist.
Fokus Wendelstein Rückblick
Der Fokus, der uns heute hier in Wendelstein zusammengeführt hat. ist das Haus der Diakonie, dessen 20 jähriges Bestehen wir feiern.
Dieser Fokus beinhaltet die gleichen Gesichtspunkte, die ich gerade ganz allgemein benannt habe:
Traditionen hier vor Ort haben bestimmte Strukturen der Diakonie entstehen lassen.
Als Zielgruppen waren im Blick: Kinder, alte und kranke Menschen.
Rahmenbedingungen wurden in Zusammenarbeit der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände und der hiesigen Kommune geschaffen, die Hilfe professionell zu gestalten.
Menschen engagieren sich haupt- und ehrenamtlich für das erkannte Anliegen.
Neue Fragestellungen und Probleme gliedern sich an, wie etwa hier die Zusammenarbeit mit der Diabetikergruppe und den Anonymen Alkoholikern.
- Der Blick der Geschichte darf sich hier in Wendelstein festmachen am Jahr 1863, als mit Diakonisse Luise Ziegler die organisierte Form von Diakonie begann: ein Verein, eine Aufgabe, Kinder aufbewahren und betreuen, ihnen Glauben ins Herz zu legen, neue Aufgaben in der Gemeindekrankenpflege.
- Später kamen Mädchenkreise, Industrieschule und Handarbeitsunterricht dazu. Über 50 Jahre lang haben die Diakonissen Julie Mielich und Babette Aurich, unvergesslich und prägend für die alten Wendelsteiner bis heute, diese Aufgaben übernommen.
Um 1920 herum verzeichnet die Jahresstatistik der drei tätigen Schwestern:
96 Kinder in der Kinderschule
2205 Pflegebesuche
270 Armenbesuche
80 Nachtwachen
- In Kornburg war es 1904 als der Verein zur Errichtung einer Kinderschule gegründet wurde und 1917 begann mit Diakonisse Marie Wißmüller die Gemeindekrankenpflege. 1946 begann die Kindergartenarbeit in Kleinschwarzenlohe.
- In Röthenbach gab es ebenfalls eigene Strukturen.
Der strukturelle Neuanfang der Diakonie
1965 waren die in Wendelstein tätigen Neuendettelsauer Schwestern vom Mutterhaus abgezogen worden. Der Diakonieverein wurde aufgelöst. Die Kinderschule in der Unteren Rathausgasse bestand in der Trägerschaft der Kirchengemeinde weiter. Die damaligen Mitarbeiterinnen Marie Reitinger und Ilse Kuster wurden von der Kirchengemeinde übernommen.
Mit Schwester Lydia Rath endet 1973 der Dienst der Gemeindekrankenpflege im Bereich der Kirchengemeinde Kornburg-Kleinschwarzenlohe.
Die Kommune sprang bei der ambulanten Pflege in die Bresche.
1977 kommt neue Bewegung in die diakonische Struktur. Die Kirchengemeinde Wendelstein gründet einen neuen Diakonieverein und beginnt mit Schwester Gertrud Perrey 1978 erneut mit der ambulanten Pflege. Nach einiger Zeit werden die kommunalen Schwestern übernommen, Ilona Ebert und Angelika Müller.
Der weitere Ausbau der altenpflegerischen Versorgung mit entsprechenden Betreuungangeboten für die ältere Generation benötigte aber dringend neue Räumlichkeiten.
Da bot das plötzlich zum Verkauf stehende, ehemalige Brauereigelände der Brauerei Lang & Maisel zwischen Pfarrhaus und St. Georgskirche neue Perspektiven. Dieses Haus blickt als Bauwerk auf eine merh als 20jährige Geschichte zurück.
Durch die Auflassung der Brauerei war das Gelände in den Besitz des Hopfenhändlers Forstner gelangt und sollte nunmehr weiterveräußert werden. Die geplanten Nutzungszwecke, die Errichtung einer Disco, eines Hotels oder – gemäß Protokollaufzeichnungen- gar eines Eroscenters im Ortskern des Altortes von Wendelstein, neben der Kirche ließ alle Alarmglocken läuten. Die Nutzungszwecke mussten verhindert werden und zugleich die Möglichkeit einer gemeindlichen, sowie diakonischen Nutzung gesichert werden. Durch den Verkauf des alten Kindergartens in der Unteren Rathausgasse durch die hiesige Kirchengemeinde war der finanzielle Grundstock geschaffen für den Erwerb von Fl. Nr. 104 durch die Kirchengemeinde, dem Grundstück auf dem das heutige Martin-Luther-Haus steht. Gleichzeitig erwarb der Dekanatsbezirk Schwabach das angrenzende Grundstück Fl. Nr. 97, den vorderen Teil des heutigen Martin-Luther-Hofes hin zur Kirchenstraße mit den darauf stehenden Gebäuden. Damit war dieses Filetstück im Altort für die diakonische und gemeindliche Nutzung gesichert. Sehr schnell konnte der Neubau des Martin-Luther-Hauses bewerkstelligt und das Haus am 1. Advent 1980 als Gemeindehaus eingeweiht werden.
Die geplante Nutzung des vorderen Grundstücks als Jugendbildungsstätte des Dekanatsbezirkes ließ sich jedoch nicht finanzieren. Es sollte aber noch bis 1985 dauern, bis erste Kostenschätzungen für ein Haus der Diakonie im alten Schlösschen den diakonischen Überlegungen neuen Schub gaben. Rund 2 Millionen sollte der Ausbau kosten.
Aber noch viele Schritte waren nötig, um dem geplanten Ziel näherzukommen.
1985 konnte das Grundstück Fl. Nr. 97 in den Besitz der Kirchengemeinde Wendelstein übergehen. In der Kirchenvorstandsitzung vom 13. 12. 1985 wurde der Grunderwerb schließlich beschlossen. Dem Protokoll ist zu entnehmen, dass Pfarrer Friedrich Dietsch dem Kirchenvorstand erläuterte, dass dem Dekanatsbezirk in den Jahren 1977-1985 für das Grundstück Fl. Nr. 97 mit den darauf befindlichen Liegenschaften Kosten in Höhe von 998.683 DM entstanden wären, die Landeskirche nunmehr das Grundstück an die Kirchengemeinde übertragen wolle und die Kirchengemeinde hierfür lediglich eine Summe in Höhe der durch das Dekanat eingebrachten Spendenmittel von 89.000 DM zu zahlen und die Notariatskosten zu übernehmen habe. Kein Wunder, dass der Kirchenvorstand zustimmte. Ein, nicht nur für heutige Verhältnisse, unglaublicher Deal.
Die Kirchengemeinde war nun Besitzer des gesamten Komplexes, den wir heute Martin-Luther-Hof oder Diakoniehof nennen, mit den darauf befindlichen Liegenschaften. Das MLH war bereits renoviert und nutzbar, die restlichen Gebäude, Schlösschen, Sudhaus und Nebengebäude in einem unvorstellbar desolaten Zustand.
Mit unglaublicher Tatkraft und großem Weitblick hatte der damalige Ortspfarrer, Friedrich Dietsch, dies auf den Weg gebracht. Zugleich hatte er mit dem damaligen Bürgermeister, Wolfgang Kelsch, einen ebenso mutigen, wie weitsichtigen Partner gefunden, die Diakonie insbesondere zur Versorgung von alten und kranken Menschen neu zu ordnen.
In Zusammenarbeit mit den Nachbarpfarrern Paul Reithinger, Kornburg-Kleinschwarzenlohe und Thomas Göss, Röthenbach/St.W und der Zustimmung der dortigen Kirchenvorstände, gelang es, die regionalen, diakonischen Traditionen und das diakonische Engagement zu bündeln.
Modellartig gelang es, den Interessen der evangelischen Kirchengemeinden, der katholischen Pfarrgemeinde und der Marktgemeinde Wendelstein in einem Verein eine breite Basis zu sichern, dies in einer Vereinssatzung abzubilden und so den Diakonieverein Wendelstein, Röthenbach und Kornburg auf den Weg zu bringen. 1986 leisteten die Gründungsmitglieder ihre Unterschrift unter die Satzung. Im Protokoll der Gründungsversammlung werden die Äußerungen von Bürgermeister Wolfgang Kelsch referiert. Dort heißt es: „Im Rahmen der Altortsanierung hat die Marktgemeinde Wendelstein auch aus baulicher Sicht großes Interesse, die vorhandenen Gebäude mit in das Sanierungsprogramm einzubeziehen. Auch aus sozialen Gründen besteht reges Interesse des Marktes Wendelstein an einer Einrichtung zur Altenbetreuung.“
In einzigartiger, wohl auch beispielloser, Weise erklärte sich die Marktgemeinde vertraglich bereit, die Arbeit des Vereins zur Pflege und Betreuung alter Menschen in den beteiligten Ortsteilen mitzufinanzieren.
Nun bekamen auch die Überlegungen eines Hauses der Diakonie neue Schubkraft. In einer 80 Sekundenüberlegung – so die spätere Berichterstattung des Schwabacher Tagblattes zur Einweihung – sicherte Bürgermeister Wolfgang Kelsch 1 Mio DM für den Um- und Ausbau des Schlösschens zu einem Haus der Diakonie zu. Weitere Mittel konnten erschlossen werden aus dem Landesaltenplan, Mitteln zur Altortsanierung, der Glücksspirale und durch den Beitrag der Kirchengemeinde. So konnte nach zweijähriger Planungsphase mit dem Umbau zum Haus der Diakonie begonnen werden. Mit dem Ausbau von Haus Basteln und Werken zu einer Bürgerbegegnungsstätte, die ausschließlich durch die Marktgemeinde finanziert wurde, und dem Sudhaus ergab eine neue Kostenschätzung von Architekt Dinkler einen Kostenrahmen von 2,65 Millionen DM. Im September 1986 gab auch das Landeskirchenamt als Aufsichtsbehörde der Kirchengemeinde grünes Licht für den Umbau.
Die Last mit der Denkmalspflege
Die Antragstellung für die Baumaßnahme hatte eine Altlast zu verkraften, nämlich die bereits durch das Landratsamt genehmigten Pläne für ein Jugendfreizeitheim des von der Landeskirche bevorzugten Architekten Gsaenger. Diese Pläne sollten trotz der Nutzungsänderung des Gebäudes bestehen bleiben. Sie sahen vor, dass das alte Treppenhaus mit Treppengeländer erhalten bleiben sollte. Dies hätte jedoch ein vernünftiges Raumprogramm für die Nutzungszwecke, Ambulanzstation und Kurzzeitpflege unmöglich gemacht. So baute sich schnell ein Konflikt zwischen den Interessen der Denkmalpflege und den beabsichtigten Nutzungszwecken auf, der zudem, um es vorsichtig zu formulieren, durch kommunikative Unzulänglichkeiten eskalierte.
Zuvor jedoch gab es ein gravierendes Unglück auf der Baustelle, als durch Baggeraktivitäten plötzlich ein Mauerteil einstürzte und große Risse durch das Haus die Statik des gesamten Gebäudes gefährdeten.
Der Baggerfahrer konnte sich mit einem Sprung von seinem Baufahrzeug gerade noch in Sicherheit bringen, sodass zumindest kein Personenschaden entstand. Der entstandene Schaden konnte durch die ausführende Baufirma Schalk behoben werden.
Dies war der Zeitpunkt als Pfarrer Friedrich Dietsch Architekt Wolfgang Dinkler einschaltete, um ein Gegengewicht gegen den vom Landeskirchenamt nach wie vor favorisierten Architekten Gsaenger zu schaffen. Immer noch galt dessen ursprüngliche Planung. Denkmalpflege und Architekt wiesen alle Vorstellungen zur Planänderungen zurück. Zumindest konnte man sich darauf verständigen, das Gsaenger für die Eingabeplanung, Dinkler für die Bauleitung verantwortlich zeichneten.
Die Fronten verhärteten sich zusehends, die Denkmalspflege wollte das alte Treppenhaus um jeden Preis erhalten. Jedoch entstand eine völlig neue Faktenlage, als das im Hof offen gelagerte alte Treppengeländer
nächtens entwendet worden war.
Das Landratsamt genehmigte schließlich eine Tektur mit Aufzugs- und neuer Treppenhausplanung. Gleichwohl drohte Ungemach durch das Landesamt für Denkmalpflege im Verbund mit baulichen Maßnahmen an der Kirche, die Streichung der Zuschussgelder wurde angekündigt, eine Strafdrohung von 50.000 DM gegenüber Architekt Wolfgang Dinkler stand im Raum, sowie ein zweijähriges Tätigkeitsverbot für denkmalgeschützte Gebäude. All dies - festgehalten in einem denkwürdigen Schreiben des Landesamtes für Denkmalpflege vom 8.11.1988 „AZ: A-5-Usch-Ku“ - wurde vom Kirchenvorstand zurückgewiesen. Durch Vermittlung von Landrat Dr. Hutzelmann, als dem Vertreter der unteren Denkmalbehörde, und des Landtagsabge-ordneten Dr. Manfred Weiß konnte schließlich Schaden für die Kirchengemeinde abgewendet werden und auch die Sperre von Architekt Wolfgang Dinkler wurde wieder aufgehoben.
Ohne weitere Verzögerungen konnte der Bau fortgeführt werden und 1989 das Haus der Diakonie eingeweiht werden.
Ermöglicht auch durch viele ehrenamtliche Hand- und Spanndienste von Gemeindegliedern, namentlich darf ich stellvertretend, weil auf Fotos festgehalten, Heiner Saas und Alois Pledel† nennen.
Das Haus Basteln und Werken wurde etwas später als Bürgerbegegnungsstätte 1990 eingeweiht.
Das Haus der Diakonie
Bei der Einweihungsfeier im November 1989 - nach zwei Jahren Planung und zwei Jahren Bauzeit - war von den Verdrießlichkeiten nicht mehr die Rede. Oberkirchenrat Hermann von Loewenich sprach in seiner Predigt über christliche Haushalterschaft und intonierte damit, was später im Festakt bei den Grußworten als Dank gegenüber dem Inspirator und Realisator, Pfarrer Friedrich Dietsch, artikuliert wurde. Und ich darf sagen, welch hoher Respekt vor meinem Amtsvorgänger und seiner Lebensleistung für Wendelstein sich beim Lesen der Dokumente einstellen muss, allen gelegentlichen Kritikträgern, die es hier am Ort leider auch gibt, zum Trotz. Ich sage es frank und frei, hier hat ein Christenmensch seine Begabungen einbringen dürfen, von Gott, unserem HERRN, zum rechten Zeitpunkt an den rechten Platz gesetzt. Er hat einen Rahmen für die Arbeit von Diakonie und Gemeinde geschaffen, von dem alle hier heute noch zehren und den, die nach ihm Verantwortlichen, mit Leben füllen konnten. Achtung umso mehr, als im Umfeld der Jahre auch weitere große Baumaßnahmen an der Kirche, den Kindergärten, dem Pfarrhaus anstanden. Aber auch dem hiesigen Kirchenvorstand gilt Bewunderung für die zukunftsorientierte einmütige Entscheidungsfähigkeit und die Bereitschaft, sich in vielen außerplanmäßigen Sitzungen zu engagieren für dieses und all die andern Projekte.
Bei der Einweihung stand die vorläufige Baukostenabrechnung für Gebäude und Inventar von Schlößchen=Haus der Diakonie, Sudhaus und Haus Basteln und Werken bei 3.073.382, 42 DM. Diese Zahl ist mir Anlass an die unermüdliche Kraft im Hintergrund zu erinnern, die rechnerisch und buchhalterisch umsetzte und abwickelte, was da beschlossen worden war und in Auftrag gegeben wurde und die zwischenzeitlich die Zuschüsse rentierlich verwaltete, die damalige Kirchenpflegerin Gisela Baumann. Ihr gebührt auch ein Platz in der Galerie der Mütter und Väter dieses Hauses des Diakonie.
Das Haus der offenen Tür am Einweihungstag bot der Wendelsteiner Bevölkerung die Möglichkeit, die Räumlichkeiten in Augenschein zu nehmen. Kommentar einer Wendelsteinerin angesichts der Pflegebetten: „ Die sind ja ganz schee, die Betten…solang man net drin lieng mou.“
Die Entwicklung der Arbeit
Die Kirchengemeinde Wendelstein hat dem Diakonieverein das Gebäudeensemble für die Nutzung der satzungsgemäßen Zwecke zur Verfügung gestellt.
Die Konzeption der Einrichtung, in einem Haus, ambulante sozialpflegerische Dienste, Alten- und Krankenpflege, Altentagesstätte, offenen Mittagstisch und Kurzzeitpflege miteinander zu verbinden, ist zu einer Erfolgsgeschichte geworden.
Unabhängig von den Baumaßnahmen, ja bereits vor ihnen ist immer wieder der diakonische Gedanke belebt worden, 1963 feierte man im alten Diakonieverein 100 Jahre Diakonie in Wendelstein in Erinnerung an die Schwestern, die damals 1863 ihren Dienst begannen, 1988, das 125jährige Bestehen, dies dann schon im neuen Diakonieverein, der auch die Nachbarpfarreien umfasste. Ebenso gelang es, den Diakonieverein in der Bevölkerung zu verwurzeln. Bis zum heutigen Tag sagen Besucher des Hauses des Diakonie „Ich geh‘ in die Diakonie“.
Die Verantwortung für die konkrete Tagesarbeit des Diakonievereins in der Geschäftsführung seiner Arbeitsgebiete, ihrer Entwicklung, die umsichtige Führung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie die ordnungsgemäße Rechnungslegung lag in den Jahren von 1986 bis 1996 in den bewährten Händen von Horst Nörenberg, der, wie es bei seiner Verabschiedung hieß, „ein rechter Steuermann“ der Wendelsteiner Diakonie war. Er übergab die Geschäftsführung an Sabine Wiegner. Nunmehr hat die Aufgabe der Geschäftsführung seit vielen Jahren Annette Messner. Sie setzt die Arbeit erfolgreich fort. Der Vorsitz des Vereins lag von Anfang an beim 1. Pfarrer von Wendelstein, heute in den Händen von Pfarrer Norbert Heinritz. Aber das brauche ich ja nicht eigens zu betonen.
Ergänzende Baumaßnahmen
Natürlich konnte es nicht ausbleiben, dass die florierende Arbeit auch mit Problemen konfrontiert war.
Galt zum Bespiel bei der Errichtung der Kurzzeitpflegeeinrichtungen an vielen Orten in der Anfangseuphorie der Devise „gemeindenahe Versorgung“ der Grundsatz „small is beautiful“, zeigte sich sehr schnell in der wirtschaftlichen Realität des Betriebes einer solchen Einrichtung, dass etwa der Fachkraftschlüssel des Personals sich bei der Anzahl der Pflegebetten einfach nicht „rechnete“. Zudem kamen stets neue fachliche, zweifellos berechtigte Anforderungen der Heimgesetzgebung und der Heimaufsicht auf die Einrichtungen zu, sodass es immer wieder
notwendig wurde, die Platzzahl zu erhöhen um die Finanzierbarkeit sicherzustellen. So wurde die Kurzzeitpflege 1994 von sechs auf acht, dann auf 12, später auf 14 und schließlich 2008 auf 18 Plätze erweitert. Räumlichkeiten im Haus der Diakonie, die als Wohnmöglichkeit für Mitarbeiter, als Büro und als Clubraum verwendet worden waren, wurden zu Pflegezimmern umgewandelt.
Neue Brandschutzauflagen warfen Sicherheitsprobleme auf, da nicht alle Zimmer über einen zusätzlichen Fluchtweg verfügten. So wurde 2004 eine gespindelte, außen am Gebäude angebrachte Feuerschutztreppe angebracht, die auch im Folgejahr in einer von der hiesigen Feuerwehr durchgeführten Rettungsübung erprobt wurde.
Schließlich brachte eine neue europäische Hygiene-Richtlinie, HACCP genannt, die Notwendigkeit mit sich, die Küche zu erweitern und neu zu organisieren, ebenso Lagerkapazitäten zu schaffen.
Auch die Sorge um das Raumklima, etwa durch Ausgasung der seinerzeit verwendeten Baumaterialien machte manche Maßnahme erforderlich, um Schaden abwenden zu helfen.
Auch der Verschleiß von Hof und Anlagen, Hoftor und Dacherker forderten immer wieder Erhaltungs- aber auch Verschönerungs-maßnahmen, wie zuletzt die Neugestaltung der Terasse.
Die Arbeitsgebiete
Die Ambulanz:
„Daheim ist besser als im Heim“, diese Devise gilt ja schon lange, sie gibt nicht nur wieder, was jedermann denkt, sie wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten auch politisch zum Maßstab, insbesondere bei der Ausgestaltung der Pflegeversicherung. Obwohl es immer schon einen Vorrang der ambulanten Pflege gab, allein schon deshalb weil nur eine begrenzte Kapazität an Heimplätzen vorhanden war.
Ein Bedarf für ambulante Pflege wird daher in steigendem Maße vorhanden sein. Dabei hat sich das Bedarfsspektrum über die klassischen Felder Grund- und Behandlungspflege hinaus weiterentwickelt. So gehört heute selbstverständlich hauswirtschaftliche Versorgung dazu. Allerdings haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht unbedingt positiv entwickelt. Die Erstattungen für pflegerische Leistungen hinken hinter dem realen Bedarf her, die abrechenbaren Leistungen decken nicht den realen Bedarf an Zuwendung. Insbesondere betrifft das den Faktor Zeit. Manche Dienstleistung muss daher heutzutage auch neben der Kassenvergütung privat bezahlt werden. Am deutlichsten klaffen der pflegerische Bedarf und die Kostenerstattung durch die Pflegeversicherung bei der Betreuung von Demenzkranken auseinander.
Wenn die pflegerisch Betreuten und ihre Angehörigen mit der Arbeit der Schwestern und Pflegern der Wendelsteiner Diakonie dennoch zufrieden sind, dann ist dies dem Engagement dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu danken.
Kurzzeitpflege:
Ich habe bereits angedeutet, wie sich verändernde Rahmenbedingungen , wie etwa die Erhöhung der Fachkraftquote, zu Kapazitätserweiterungen geführt haben. Zugleich haben sich aber Bedarfsverschiebungen ergeben. Entsprach das Angebot der Kurzzeitpflege anfangs einem dringenden Bedarf, ebenso die, später eingeführte und dann wieder abgeschaffte, Krankenhausvermeidungspflege, entwickelte sich die Belegstruktur in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen so, dass sie selbst Angebote der Kurzzeitpflege machten, sodass Überkapazitäten entstanden. Was früher den Einrichtungen der Kurzzeitpflege nicht gestattet war, ist heute Normalität, die Aufnahme von Langzeitpflegebedürftigen. So werden heute im Haus der Diakonie von 18 Pflegeplätzen, 16 für dauernden Aufenthalt und nur zwei noch für Kurzzeitpflege angeboten.
Altentagesstätte, Hol- und Bringdienste, Mittagstisch haben ihr Angebot in all den Jahren beibehalten und ausbauen können, neu ergänzt durch einen Dienst, das Essen auch nachhause zu liefern.
Kurse und Bildungsmaßnahmen
Dagegen konnte das Angebot der Kurse entscheidend ausgebaut werden. Hatte es mit vier oder fünf Kursen begonnen, werden heute 125 Kurse im Quartal angeboten, die wöchentlich von 350-400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht werden. Jung und Alt geht in den Häusern, Haus der Diakonie, Haus Basteln und Werken, Sudhaus und Martin Luther-Haus ein und aus.
Sternen-Kinder-Haus
Als vorläufig letztes Angebot hat die Wendelsteiner Diakonie die Betriebsträgerschaft für das Sternen-Kinder-Haus übernommen mit 89 Hort-, Krippen- und flexiblen Betreuungsplätzen. Mehr noch als früher sind solche Bildungsangebote für Kinder zur Zukunftschance für Kinder geworden. Damit hat der Diakonieverein ein Standbein seiner frühen Geschichte wiedergewonnen. Der Übernahme dieser Aufgabe ging ein Betreuungsangebot zur flexiblen Betreuung von Kindern durch den Diakonieverein voraus, genannt „Haus Bullerbü“, das heute noch in das Sternen-Kinder-Haus integriert ist. Das Gebäude im Umfeld der Schule wurde vom Markt Wendelstein errichtet und dem Diakonieverein für den Betrieb der Einrichtung überlassen.
Kommen wir zum Schluss.
Das Jubiläum des Hauses der Diakonie gibt uns Anlass, dankbar zu sein. Ein Haus zu haben, in dem sich die Aktivitäten der Nächstenliebe bündeln und von hier in den Ort und die Umgebung ausstrahlen, ist ein besonderes Geschenk. Es ermöglicht vielfältig, dem Anspruch der Diakonie konkrete Gestalt zu geben, in glücklichen und fröhlichen Kindern, lebenszufriedenen, Geborgenheit erfahrenden, alten Menschen und zugleich quer durch die Generationen hindurch ein Angebot von Sinn und Lebensqualität machen zu können.
Nach 20 Jahren darf man feststellen: Die mutige und weitsichtige Vision der Wegbereiter dieses Haus, Pfarrer Friedrich Dietsch und Bürgermeister Wolfgang Kelsch, Kirchenpflegerin Gisela Baumann und der Weggefährten und Gremien, die ihre Ideen auf den Weg gebracht haben und den Baumeister nicht zu vergessen, Wolfgang Dinkler, also, diese Vision ist in Erfüllung gegangen. Es blieb das innere Anliegen von Pfarrer Friedrich Dietsch, das er immer wieder an mich, als seinem unmittelbaren Nachfolger herangetragen hat, bleibt wie ein Vermächtnis: „Haltet nur immer Diakonie und Gemeinde zusammen“.
Im Zeitraffer der Geschichte möchte ich hier die Hauptakteure der Bauzeit und des Anfangs im neuen Haus der Diakonie noch einmal zeigen. Ihr Tatendrang und ihr Engagement und letztlich ihr Erfolg haben das zuwege gebracht, was heute zu feiern Anlass gibt.
- Das schöne Ambiente im Kern des Altortes von Wendelstein neben der St. Georgskirche, bei dem schon mancher Besucher sich den Hinweis auf Rothenburg nicht verkneifen konnte, ist baulich irgendwie „die Seele“ des Ortes geworden oder wieder geworden.
- Und die Nutzung für soziale und geistliche Anliegen des Gemeinwesens, hier mitten im Ort, gehört schließlich auch zur „Seele“ eines Ortes. Menschen lassen sich daran erinnern, dass Nächstenliebe Menschsein ausmacht. Und Menschen spüren, dass Nächstenliebe nicht nur ein so dahingesagtes Wort ist, sondern erfahrbar wird.
So folgt die Idee der Diakonie dem Prophetenwort, das seit alters Motto der Diakonie in der Arbeit der Stadtmissionen war, von der ich einst nach Wendelstein gekommen bin.
Es ist ein Motto für die Zukunft, auch für das Wendelsteiner Haus der Diakonie:
„Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn.“
(Jeremia 29, 7).