Unser gemeinsames Wendelstein
Festrede zur Eröffnung des Jubiläumsjahres
„750-Jahre-Wendelstein“
Sehr verehrte Ehrengäste, sehr verehrte Damen und Herren,
Wendelstein begeistert mich, net bloß etzertla. Die Vorarbeit für das Jubiläum hat das vielfältig verstärkt. Das ist ein Problem. Wie sich angemessen kurz fassen, was erwähnen, was weglassen angesichts der vielen Bilder, Erfahrungen, Menschen und Eindrücke? Von 20 Minuten Redezeit war schon mal die Rede. Wir haben das verworfen. Aber schließlich möchte ich Ihnen Kurt Tucholskys Beispiel in seinen „Ratschlägen an einen schlechten Redner“ auch ersparen. Dort steht als möglicher Redebeginn: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen sie mich Ihnen in aller Kürze die Entwicklungsgeschichte meiner chinesischen Heimat von 2000 vor Christus bis….usw.
Gut, hier wären es nur 750 und natürlich nach Christi Geburt, aber immerhin.
Ja, Wendelstein, was ist das eigentlich?
Annäherung 1: Wir sagen so einfach, Wendelstein begeistert. Aus heutiger Sicht der Marktgemeinde, die nie Stadt werden wollte, sind das alle Ortsteile von Dürrenhembach bis Neuses. Das, was aber 1259 erwähnt wurde, umgreift vielleicht allenfalls den Raum, den wir heute als Altort von Wendelstein bezeichnen. Nicht einmal Wendelstein am Berg, heute der Bergbauer und Umgebung, gehörten dazu. Das war früher auch eine ganz selbständige Gemeinde. Und um die Verwirrung komplett zu machen, Großschwarzenlohe hat schon sein 700jähriges gefeiert. Nerreth und Dürrenhembach werden 2025 folgen. Den Dreikönigsaltar der St. Georgskirche gibt es 2010 schon 500 Jahre. Den Apostelabschiedsaltar finden wir schon 600 Jahre in der Allerheiligenkirche.
Wenn wir heute zurückblicken, richtet sich der Fokus auf das Wendelstein vor der Gebietsreform und dann zurück bis 1259. Aber wir sehen das aus dem Blickwinkel der heutigen Gesamtgemeinde, zumal viele geschichtliche Bewegungen den ganzen Landstrich entlang der Schwarzach betrafen. Die Gesamtgemeinde ist stolz auf jedes Jubiläum eines Ortsteiles, oder Bauwerkes oder Kunstwerks.
Schauen wir auf die Leute, die Wendelsteiner, wer ist das?
Annäherung 2: Vom verstorbenen Ehrenbürger Willi Weißkopf, wohnhaft im Ortsteil Röthenbach, weiß ich, dass er gern das Lied anstimmte: „Mir Roimbacher sind halt Leut…“
Langsam wächst die Marktgemeinde zusammen, Kirchweihkriege gibt es auch nicht mehr. Aber so manche Rivalität von anscheinend heute hat eine uralte Ursache, die einen früher nicht zusammenkommen ließ.
Die Ursachen weiß man gar nicht mehr, aber trotzdem wird in den Ortsteilen ein Selbstbewusstsein gepflegt, das manchmal nicht ganz in den marktgemeindlichen mainstream passt. Muss vielleicht auch nicht immer. Es gibt viele Angelegenheiten der Kommunalpolitik, die gut und besser gemeinschaftlich und solidarisch auf der Ebene der Marktgemeinde geregelt werden müssen, aber daneben hat die Ortsteilkultur und -geschichte ihre eigene heimatliche, identitätsstiftende Kraft. Ich sage einmal, die große Heimat und die kleine Heimat bereichern sich.
Heute gibt es, nein eigentlich schon immer gab es Altbürger und Neubürger. Das ist keine Erfindung unserer Generation. Es kann einem, und nicht nur hier, schon mal passieren, dass man als „Neubürger“ bezeichnet wird, obwohl man schon 40 Jahre hier lebt. Ich will ja den stolzen Altbürgern nicht zu nahe treten, aber diese Bezeichnung ist sehr relativ. Wendelstein war immer ein Ort, der wieder und wieder die Bereicherung zuziehender Menschen erfuhr. Sie waren es, die, etwa nach Pestzeiten, zuzogen und die Höfe weiter bewirtschafteten. Glaubensflüchtlinge, Saisonarbeiter aus der Pfalz, die hier blieben, vielleicht heirateten, Heimatvertriebene und Flüchtlinge der näheren Geschichte, aber auch Autobahnarbeiter. Eigentlich kann jedes Jahrhundert von zuziehenden Menschen berichten. Sie gliederten sich ein, arbeiteten und gestalteten mit. Sie alle prägen das Bild des heutigen Wendelsteiners in allen Ortsteilen mit.
Eine kleine Probe aufs Exempel. Neulich blätterte ich auf der Suche nach alten Namen, die man heute noch kennt, in dem ersten Tauf- und Traubuch der Georgskirche von 1533. Was ich fand, war wenig, Volkhardt=vielleicht heute Volkert und Schüssler= vielleicht heute Schüssel. Das war’s. In Großschwarzenlohe ist der Name Erlbacher, der erwiesenermaßen ältest erwähnte und bis heute bekannte. Vielleicht blättere ich noch mal in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die Pest und dieser Krieg hatten die Dörfer unserer Marktgemeinde nämlich schier aussterben lassen. 1562 wütete die Pest in Wendelstein, in einem Jahr wurden 500 Menschen auf dem kleinen Friedhof um die Kirche beerdigt. 1632, dem Jahr der nichtstattgefundenen Schlacht an der Alten Veste, das darf ich als Neu-Alt-Zirndorfer in Erinnerung rufen, starben in Röthenbach 59 der 150 Bewohner an der Seuche, um nur einmal ein paar Zahlen zu nennen.
Die Zuzüge von Neubürgern machten das Weiterleben erst möglich. Also, Altbürger und Neubürger aller Zeiten und aller Ortsteile machen heute den Wendelsteiner aus.
Annäherung 3: Meine persönlich erste Begegnung mit Wendelstein liegt 35 Jahre zurück. Ich hatte in einer Kirchenzeitschrift die Anzeige einer in Wendelstein ansässigen Stuhlfabrik entdeckt. So machte ich mich auf den Weg, um Stühle für mein Gemeindehaus auszusuchen. Nicht ahnend, dass ich hier einmal 13 Jahre als Pfarrer tätig sein würde, fuhr ich durch den Ort. Ich erinnere mich genau an die Kurve am alten Bahnhof. Mein alter R4 war etwas zu schnell, aber einen Blick nach rechts riskierte ich doch. Damals sah man noch mehr von bahnhofsähnlichen Strukturen. Ich bog in den Altort, fuhr nichtsahnend am Pfarrhaus vorbei und war, ich erinnere mich genau, riesig stolz, dass ich auf Anhieb, ohne zu fragen -bei Navi, oder Handy kannte man damals, wie alle wissen, noch nicht einmal das Wort- mein Ziel erreichte. Später erst, als ich hier wohnte und den Stadtplan kannte, merkte ich, dass zu Stolz keinerlei Anlass war, ich war mehr oder weniger einfach geradeaus gefahren.
Frau Meier, damals Geschäftsführerin der Firma, bediente mich geschäftstüchtig, aber sehr zuvorkommend. Sie war die erste Wendelsteinerin, Neubürgerin, versteht sich, die ich kennen lernte. Mit der Order von 80 Stühlen zu ordentlichem Preis fuhr ich zufrieden heim nach Gülchsheim.
Genau 20 Jahre später, 1993, begannen Wendelstein und seine Menschen, seine Geschichte und seine Kirchen mich zu begeistern, als ich hier Pfarrer an der St. Georgskirche wurde.
Innehalten
750 Jahre überblicken wir mit unserem Jubiläum. Ein Arnold von Wendelstein wird urkundlich erwähnt. Das ist für uns der Fixpunkt. Wendelstein ist älter, davon kann man ausgehen. Aber 1259, da stand es schwarz auf weiß in der Urkunde. Wir beschäftigen uns damit, weil wir spüren, dass irgendetwas herüberragt aus dem Dunkel der Geschichte, was prägende Kraft hatte, alles hat werden lassen, wie es ist und uns als Schatz der Tradition in die Hände gelegt ist, es zu bewahren, zu pflegen und in die Zukunft zu tragen.
Manches lassen wir froh zurück, wollen es auch nicht wieder, rühmen uns mancher Errungenschaft seither; manches schreckt uns und wir sagen: um Himmels willen, nie wieder; anderes wiederum bleibt Herausforderung und Ansporn auch für moderne Zukunft; und schließlich blicken wir auf manches mit Wehmut zurück, weil es dem modernen Menschen als verloren gelten muss.
Zu lernen gibt es viel von der Geschichte, z. B.
- welche Kraft im Glauben steckt, etwa, Menschen Halt zu geben,
- wie Zusammenhalt stark macht,
- dass Raubbau sich nicht lohnt,
- dass der Glockenschlag vom Turm mehr ist als ein überholtes Chronometer.
Es erschreckt - und auch das ist ein Lernprogramm für heute - dass manche Fragen, trotz zeitlichen Abstandes, immer noch Probleme geblieben sind:
- Benachteiligungsgefühle zwischen den Orten,
- vom sozialen Status abhängige Bildungschancen,
- die Bereitschaft, den Fremden anzunehmen
- und die Praxis fehlender Nachhaltigkeit in vielen Bereichen,
um nur einiges zu benennen.
So lohnt der Blick zurück, zur Vergegenwärtigung früheren Lebens und Treibens.
Ich teile das ein wenig ein und orientiere mich an dem, das, wie ich meine, herüberragt aus der Geschichte und heute noch seine Spuren zeigt.
Selbstbewußtsein
Die Wendelsteiner Geschichte hat die Menschen zu dem gemacht, was sie heute sind: selbstbewusste Bürger einer florierenden Marktgemeinde.
- Dass dabei die Röthenbacher immer etwas besonderes waren, hat ihnen 1950 schon ihr früherer Pfarrer Friedrich Fauser, der viel über den Ort Röthenbach, die Wolfgangskirche und das Wolfgangsheiligtum geforscht hat, ins Stammbuch geschrieben, wenn er sie als schwierige Zeitgenossen beschreibt, die man schwer unter einen Hut bringt. Ja, „die Römbacher sind halt Leit…“
- Das zeigt aber auch, dass sie wesensmäßig den Wendelsteinern in nichts nachstehen, denen man schon im Mittelalter seitens der Obrigkeit bescheinigte, dass sie stets ein wenig aufmüpfig daherkämen.
- Von den Nerrethern und Dürrenhembachern ist bekannt, da werden die Orte erstmals historisch aktenkundig, dass sie sich gegen erzwungene Hand- und Spanndienste, die der Wendelsteiner Richter einforderte, auflehnten.
- Den Kleinschwarzenlohern schließlich war der Kirchenweg nach Katzwang zu weit, ihre Abstimmung erfolgte mit den Füßen.
Historisch prägende Ereignisse und Perioden bestätigen es immer wieder. Offensichtlich ist die bodenständige Aufmüpfigkeit und das bodenständige Selbstbewusstsein auch den erst zu Wendelsteinern gewordenen Bürgern in Fleisch und Blut übergegangen.
Die bemerkenswerteste historische Periode war dabei die Geschichte der „Wendelsteiner Holzmark“, jener Waldgebiete von Wendelstein, Röthenbach, Nerreth, Dürrenhembach, Sperberslohe und Raubersried, die Jahrhunderte lang, urkundlich seit 1341, Streitobjekt zwischen Obrigkeit, namentlich dem Wendelsteiner Richter und der Bürgerschaft waren. Immer wieder versuchte die Obrigkeit die Hoheit über diese Waldungen zu erlangen und stets wurde in zahllosen Gerichtsurteilen von Nürnberg, sogar vor dem kaiserlichen Gericht in Belgrad, zu dem eine Abordnung aus Wendelstein reiste, immer wieder neu bestätigt, dass die Waldnutzungsrechte dem „armen Mann von Wendelstein“ zu belassen wären.
Dieser Kampf um das eigene Recht hat die Menschen hier geprägt und selbstbewusst gemacht.
Weitere Beispiele gibt es aus der Zeit der Reformation zu berichten. Damals hielt reformatorisches Gedankengut hier Einzug, trotz der unterschiedlichen religiösen Ausrichtung der Nürnberger Grundherrn einerseits, die in jener Zeit immerhin 4/5 des Territoriums beherrschten, und der, je nach Heirat, eher willkürlichen Konfessionalität der Ansbacher Markgrafen andererseits. Sowohl in Kleinschwarzenlohe regte sich der neue Geist durch den Kornburger Pfarrer und Lutherstudenten Venatorius, als auch in Röthenbach durch den ehemaligen Nürnberger Mönch Johann Popp und in Wendelstein ebenfalls. Der spätere Röthenbacher Pfarrer Johann Hufeisen hat dabei mit kostbaren Erstdrucken aus der Reformationsliteratur eine besondere Spur hinterlassen. In Wendelstein nahm die Wende der Konfessionszugehörigkeit einen noch öffentlichkeitswirksameren Verlauf durch ein Flugblatt, genannt „Furhaltung“, mit dem eine selbstbewusste, lutherisch infizierte Gemeinde, nachdem sie zuvor inoffiziell schon einen „christlichen Prediger“ angestellt hatte, nunmehr dem neuen, offiziellen Pfarrer ins Stammbuch schrieb, wer der Anstellungsträger und damit der Angeber wäre.
Das alles hinderte aber wiederum nicht, parallel katholisches Brauchtum und Messstiftungen beizubehalten, wenn nur die Verkündigung und der Gebrauch der Sakramente im Gottesdienst der Gemeinde nach lutherischer Weise gepflegt wurden.
Wir sind immer noch beim Thema Selbstbewußstein als Wendelsteiner Eigenart. Machen wir einen großen Sprung in das 20. Jahrhundert.
Bürgerstolz und Nachdruck haben verhindert, dass unser Wald in den 1970iger Jahren einem Rangierbahnhof und auf der anderen Seite des Ortes dem geplanten Nürnberger Flughafen geopfert wurde, ebenso, dass der alte Ludwig-Donau-Main-Kanal, heute anheimelndes Markenzeichen unserer Gegend und Naturdenkmal, einer Strassentrasse zum Opfer fiel, wie andernorts geschehen.
Schließlich mag in diesen Zusammenhang auch gehören, dass mein verehrter Vorgänger, der vor wenigen Tagen verstorbene Pfarrer Friedrich Dietsch, sich schon mal gegen unbillige Forderungen des Denkmalsschutzes bei der Renovierung der St. Georgskirche zur Wehr setzte, indem er der Referentin des Landesamtes für Denkmalpflege gegenüber von seinem Hausrecht Gebrauch machte, und diese kurzerhand vor die Tür setzte.
Das lange Ringen der Röthenbacher gegen ihre Eingemeindung nach Wendelstein gehört ebenfalls in diese Reihe, selbst wenn sie schließlich nicht erfolgreich waren.
Aber die stolze Grundhaltung, die man in unserem gemeinsamen Wendelstein immer wieder findet, zeigte sich auch hier: „Mir lassen uns nix g’falln.“
Der heute in seiner Dramatik gar nicht mehr nachzuempfindende Mut eines Georg Löhlein, 1945, trotz der im Wald als letztes Aufgebot schießenden SS-Partisanen, mit der weißen Fahne den einmarschierenden Amerikaner entgegenzugehen, ebenso wie der Mut jener jungen Röthenbacher Frau, die auf einem „Sachserla“ mit dem weißem Tuch den Amerikanern entgegenfuhr, muss in guter Erinnerung bleiben.
Auch sie gehören in die Ruhmesreihe, die Bürgerstolz, Mut und Selbstbewusstsein immer wieder ausgewiesen hat.
Was ebenfalls bedeutsam herüberragt aus ferner Geschichte bis in unsere Zeit, ist der prägende Lebensraum.
Prägender Lebensraum,
der Wald
Mit dem Wald lohnt es sich, anzufangen. Er war zuerst da, als die Besiedelung begann. Riesige Waldungen umgaben die Reichsstadt Nürnberg. Hier bei uns im Süden Nürnbergs der Lorenzer Reichswald. Wald war da, nichts als Wald und nach herausgerodet aus dem Wald, Rodungssiedlungen mit Ackerflächen. In manchen Namen hat sich die Erinnerung noch gehalten: Nerreth=neue Rodung, oder Rauberried, Redwinsreuth, die Rodung des Redwin. Überall ein paar Gehöfte, die „Besitzer“, abhängige Bauern, abhängig von meist Nürnberger Grundherrn, die ein Stück Land, einen Wald oder einen Bauernhof für dem Kaiser geleistete Dienste als Lehen bekommen hatten, oder einem Kloster, wie zum Beispiel Pillenreuth in unserer Gegend, oder dem Pfarrer, wenn es sich um Land handelte, mit dem eine Pfarrei zu deren Unterhalt ausgestattet war. Die Wendelsteiner Straße „am Pfarrgartenweg“ erinnert daran. Schließlich trat der Markgraf von Ansbach noch als Grundherr auf und hatte seine Hintersassen hier.
Es dauerte nicht lange, dann waren die Pflichtabgaben der „Besitzer“ an ihren Grundherrn auch festgeschrieben in Naturalien oder Hand- und Spanndiensten, dazu kam die Verpflichtung zur wehrhaften Unterstützung des Grundherren und Abgaben bei Heirat und Vererbung etc. Ernst Neumeier hat Abgabenlasten und Pflichten, Haus für Haus in Röthenbach akribisch aufgeschrieben und so für uns anschaulich gemacht.
Es war ein hartes Leben und oft drückten die Abgabenlasten schwer. Zumal auch noch festgeschrieben war, wie viel Stück Vieh einer haben durfte. Eine Welt voller Abhängigkeit, Armut und harter Arbeit.
Der Wald war Lebensraum, er lieferte Bau- und Brennholz, den Rohstoff für die entstehenden Köhlerbetriebe und war schließlich noch Weideplatz für das Vieh. Und er war der Arbeitsplatz für die Zeitler, die mit zusätzlichen Rechten als Waldpolizei ausgestattet, den wilden Honig sammelten, was der Gegend die Bezeichnung „des Reiches Bienengarten“ eingebracht hatte.
Wie alles war natürlich auch der Wald hoheitlichen Rechten unterstellt, so das Jagdrecht, die Zeitlerei, ja auch die Nutzungsrechte am Holz des Waldes.
Umso mehr überrascht es, dass, wie bereits angesprochen, erstmals 1341 den Wendelsteiner Leuten eigene Rechte an den Waldungen von Wendelstein bis Dürrenhembach, der sogenannten „Holzmark“ zugesprochen, genauer gesagt, bestätigt worden.
Symbol für diese Selbstverwaltung war ein Buchsbaumkästchen mit 7 Schlössern, das nur von den
„7 Geheimden“ gemeinsam geöffnet werden konnte. Es enthielt die Urkunden der Rechtsgrundlage dieser genossenschaftlichen Selbstverwaltung. Darin war auch die sogenannte „Holzmarklegende“ aufbewahrt, eine allerdings erst viel später entstandene, nachträgliche Legitimation der Holzrechte, indem diese auf eine Stiftung der Heiligen Achahildis zurückgeführt wurde.
Das Bestehen auf den einmal verbrieften Rechten und der daraus resultierende, schon beschriebene, Bürgerstolz sind eine Sache. Die tatsächliche Nutzung und Ausbeutung des Waldes eine andere. Keinerlei nachhaltige Waldwirtschaft war zu erkennen, nur die Entnahme von immer mehr Bau- und Brennholz, zwar nach genossenschaftlicher Einteilung, aber eben doch im Raubbau. Die Raubersrieder taten sich besonders durch den, zwar streng verbotenen, aber dennoch heimlich praktizierten, Verkauf von Holz nach auswärts hervor. Der Bedarf war riesengroß. Private Bauvorhaben, Gemeinschaftsaufgaben, wie Brückenbau, Brennholz und der Verbiss durch das Nutzvieh führten schließlich zu totalem Kahlschlag.
Nicht zuletzt durch die Misswirtschaft gab es in späteren Jahrhunderten obrigkeitliche Aufsicht und Anordnungen, ohne dass die Situation sich wesentlich verbesserte. Immerhin waren Anweisungen nötig, bei Bauvorhaben auf Stein als Baumaterial umzusteigen, um den Holzbestand zu schonen. Selbst Reformbemühungen von innen heraus durch die „Geheimden“ scheiterten und brachten allenfalls diese Gruppe selbst in Misskredit. Schließlich wurde die genossenschaftliche Ordnung aufgelöst und die Holzmark privatisiert, zuletzt nach der politischen Neuordnung 1806.
Das war ein großes Kapitel Wendelsteiner Geschichte und Wendelsteiner Besonderheit, schier 500 Jahre lang, die Wendelsteiner Menschen in ihrem Bürgerstolz prägend.
Dennoch, wenn nicht Leute wie Lothar von Faber das Brachland Ende des 19. Jahrhunderts aufgekauft und neu aufgeforstet hätten, wären wir, verstärkt noch durch Waldbrände und Kiefernspannerbefall, wahrscheinlich eine waldlose Gegend.
Der Wald als Wirtschaftsfaktor, ermöglichte neben der Holzwirtschaft, der durch Rodungen entstanden Landwirtschaft, der Zeitlerei auch verschiedene andere mittelalterliche Wirtschaftszweige, so die Köhler und die Messerer, von denen die Köhlerei sich bis in unsere Tage zu behaupten wusste.
Heute dient der Wald, neben Wald- und Forstwirtschaft und der Jagd, hauptsächlich der Naherholung.
Mit seinem ausgedehnten und komfortablen Wegenetz ist er ein Anziehungspunkt für den ganzen Großraum Nürnberg. Die heutige Idylle des Waldes rund um unsere Orte, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass riesige Anteile dieser Wälder um Haaresbreite industriellen Nutzungen anheim gefallen wären. Im Krieg sollte die MAN in Nerreth ein Panzerwerk bauen, eine Bahntrasse von Röthenbach dorthin war schon im Bau. Das Projekt hat sich von selbst erledigt. Die MUNA war schlimm genug. Von den anderen Gefährdungen moderner Zeit ist schon berichtet worden.
das Wasser
Wendelstein rühmt sich mit Recht, aus seinen diversen Brunnen hervorragendes Trinkwasser zu beziehen, auch dieses sprudelt letztendlich aus der Geschichte der Region herüber in unsere Zeit.
Leider ist ein Quellstrom, der aus dem guten Wasser entstand, zwischenzeitlich versiegt: Das Wendelsteiner Bier.
Hauptsächlich jedoch sind es die Wasser der Schwarzach, die prägend und malerisch durch den Gesamtort fließen. Heute ebenfalls eher eine Landschaftsidylle, mit den romantischen Felsdurchbrüchen ganz in der Nähe und den weiten Wiesentälern von Röthenbach bis Neuses. Früher war sie ein wirtschaftlicher Standortvorteil erster Klasse. Nicht umsonst sprach man vom Schwarzachtal als dem „Industrietal des Mittelalters“. Mühlen unterschiedlichster Provenienz siedelten sich an und wurden zu industriellen Knotenpunkten vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Mahlmühlen, Sägemühlen, Kugelmühlen, Silbermühlen, Papiermühlen usw. nutzten die Kraft des Wassers um ihre Produkte zu erzeugen. Später traten Hämmer hinzu, die mit Wasserkraft angetrieben wurden, zum Beispiel zur Herstellung von Zainen, Metallstäben die in den diversen handwerklichen Betrieben weiterverarbeitet wurden, oder auch von Kugeln, die unter den Hämmern geschmiedet wurden. Bis zum heutigen Tag können Reste dieser historischen Orte besichtigt werden. Hinzu tritt der, früher wohl wildere, Gauchsbach, der in Kugelhammer die dortige Mühle und den Hammer betrieb.
Indirekt hat die Schwarzach dem Ort Wendelstein den Namen gegeben, weil sich der Fluss um den Stein, den Felsen, dessen höchster Punkt damals und heute die Georgskirche trägt, schlängelte, eben wendete.
Ebenso waren im Mittelalter die Furten und Brücken bedeutend, auf denen an mehreren Stellen im Ortsgebiet alte Handesstrassen, in Röthenbach die Salzstraße und in Neuses die Venetianerstrasse den Ort durchfuhren und zusätzliche Wirtschaftskraft auslösten, etwa für die Kramerey in Röthenbach.
Als Fluss bot die Schwarzach, neben den Mühlen und Hämmern, noch weitere Wirtschaftskraft durch die Fischerei und die Möglichkeit der Bewässerung der weitläufigen Wiesengebiete, die ihren Lauf im Ortsgebiet begleiten und damit verbunden bei den Bräuwiesen am Felsenkeller das Natureis zur Kühlung des Bieres zu brechen.
Es fasziniert mich, dass an einigen Stellen an der Schwarzach, so etwa in Röthenbach, in Sorg und auch in Neuses über die Jahrhunderte hinweg Industriestandorte ihren Ort behielten, mit jeweils unterschiedlichen Produktionsmethoden, unterschiedlichen
Produkten, sozusagen von Steinkugeln über Bronzekugeln, Silber,
Zainen verschiedener Metalle, Papier, Bronze, Spiegeln, Holzwolle, bis zu den heute beispielsweise produzierten Präzisionslinsen und Präzisionsmetalldrehteilen.
Sie schreiben eine über 600jährige Industriegeschichte .
Ein weiterer Wasserlauf des Ortes hat seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Geschichte geschrieben, der Ludwig-Donau-Main-Kanal. Auch er durchzieht die ganze Marktgemeinde.
Heute ist er ein Naturdenkmal und gewichtiger Anziehungspunkt zur Freizeitgestaltung weit über den Ort hinaus. Angler, Spaziergänger und Wanderer, Radfahrer, Schlittschuhbegeisterte und Stockerer mit ihren Eisstöcken tummeln sich je nach Jahreszeit, um die Natur dort zu geniessen.
Wirtschaftlich gesehen allerdings war der jahrhundertealte Traum, eine Verbindung zwischen Main und Donau zu schaffen, und so einen Wasserweg von der Nordsee ins Schwarze Meer zu eröffnen, ein Flop. Das mag schon dadurch erwiesen sein, dass die Erlöse der Kanalgesellschaft aus dem Versteigern der am Kanal gepflanzten 40.000 Obstbäume genauso hoch waren, wie die Erlöse aus den Transportgebühren des Schiffsverkehrs. Trotzdem fuhren in der Nutzungszeit auf dem „alten Kanal“, wie wir sagen, neben den traditionellen Treidelschiffen, von Pferden gezogen, zeitweise Ausflugsboote, Militärboote, und auch Motorboote zum Lastentransport. Die Berichte aus Röthenbach und Wendelstein über die Transporte wissen von Holztransporten mit Erlenholz aus der Oberpfalz für die Holzdrechsler, die als bedeutendes Wendelsteiner Handwerk die Messerer abgelöst hatten. Steine aus den hiesigen Steinbrüchen, auch die begehrten Mühlsteine, wurden in die andere Richtung transportiert.
Der mangelnde wirtschaftliche Erfolg, das Aufkommen effizienterer Verkehrsmittel besiegelten aber nach 100 Jahren das Schicksal des Kanals im Jahre 1950. 1960 wurde dann mit dem Bau des Rhein-Main-Donaukanals begonnen, 2007 mit einer Tonnage von 6,65 Mio Tonnen und einem Lastschiffverkehr von 5851 Schiffen. Ich weiß nicht ob das viel ist. Erträge aus Obstbäumen gibt es ja wohl nicht mehr.
Durch die beiden Kanalanlagen ist Wendelstein an beiden Ortsenden von Kanalbrücken eingerahmt, die den Kanal über das Tal führen, je in ihrer Zeit besondere Wunderwerke der Technik.
Die beiden „großer und kleiner Brückkanal“ aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und die Trogbrücke bei Neuses als Bauwerk des 20. Jahrhunderts.
Der Fluss und später der Kanal bot mit seinem Wasser viele Möglichkeiten für das ansässige Gewerbe früherer Jahrhunderte, ebenso wie der Wald durch die Köhlerei.
Die Messerer konnten sich so zu einem überregional bedeutenden Handwerk entwickeln. Sogar gegenüber den eifersüchtig wachenden Nürnberger Messerern, durften sie ihre Messerproduktion mit eigenem Zunftzeichen verkaufen. Nicht zu vergessen ihre eigene geistliche Bruderschaft, 1486 gegründet als Zunftzusammenschluss mit geistlichen Touch, der Meister und Gesellen aus dem Messerer- und Klingenschmiedsgewerbe verband und deren Rechte, aber auch die Qualität der Arbeit ihrer Meister garantierte. 1651 gab es 61 Messererbetriebe im Ort. 1850 wird dieses Handwerk nicht mehr erwähnt.
Die Drechsler lösten die Messerer als Handwerk in Wendelstein ab, sie profitierten vom Kanal und prägten in den vielen kleinen Handwerksbetrieben den Ort mit buntem Holzhausrat, Kerzen, Schalen, Kinderspielzeug wie Kreiseln, Stricklieseln und Flohhupfspielen. Erwähnt muss schon auch werden, dass der gerade 95jährige, älteste in Wendelstein geborenen Bürger, Georg Knapp, heute noch an seiner Werkbank steht, um Holzteile für seine Kundschaft zu drehen. Er ist bei uns der letzte Gewerbetreibende seiner Zunft. 1962 hatte es noch sechs Drechsler gegeben.
Die Drechsler wurden berufsgeschichtlich von den Metalldrückern abgelöst, da aber spielten Fluss und Kanal schon keine wirtschaftliche Rolle mehr. Auch hier bewundern wir in der Werkstatt von Kurt Meier, ihn als einen letzten seiner Zunft in unserem Ort.
die Steine
Entlang der Gemeinde von Röthenbach bis Kornburg zieht sich der Kornberg, geogeschichtlich wohl der älteste Teil von Wendelstein, als von Besiedelung noch keine Rede war, vor 2,3 Millionen Jahren entstanden. Aber das führt jetzt wirklich zu weit.
Steine prägten seit alters den Ort, weil der Kornberg verschiedene Steinbrüche beherbergte am Fischleins-, Glasersberg, bis zu den bekannten Brüchen des vorderen und hinteren Wernlochs und weiter den Ort entlang. Sie boten für viele Einwohner Arbeit und Brot und waren für manchen auch Quelle des Wohlstandes.
Stiche aus früheren Jahrhunderten weisen die Steinbrüche als brutal aussehende Mondlandschaft aus, zerklüftet durch den Abbruch und den Abtransport des gewonnenen Materials. Unvorstellbare Mengen wurden im Lauf der Jahrhunderte abgebaut. Man kann sich schier kaum vorstellen, dass, den Annalen gemäß, einmal in einem Jahr 50.000 Quader des begehrten Quarzsandsteins aus Wendelstein für die verschiedensten Baumaßnahmen nach Nürnberg transportiert wurden. In St. Lorenz, St. Sebald und in der Stadtmauer wären viele Wendelsteiner Steinmetzzeichen zu finden, die ja jeden Block kennzeichneten. Für die Kanalbrücken des alten Kanals wurden die Steine bis nach Forchheim verwendet.
Ja, auch in Wendelstein sind viele Häuser aus diesen Steinen, dazu die alten Kirchen, auch hier Kanalbrücken.
Der Wendelsteiner Quarzitsandstein war wegen seiner Witterungsfestigkeit besonders beliebt und wurde auch als Mühlstein verwendet.
Älteste Steine der St. Georgskirche sollen 1346 zu datieren sein. Da war man in den Steinbrüchen schon zu Gange. 1960 etwa wurde der letzte Steinbruch aufgelassen.
Heute, wenn man etwa zum vorderen und hinteren
Wernloch geht, erlebt man ein Biotop schönster Art. Die Natur hat alles zurückerobert und alle Narben früherer Jahrhunderte sind sanft und schroff zugleich zugewachsen.
Aber sichtbar bleiben die weichen Farben des Sandsteines unserer Häuser und Kirchen, die erdfarben neben dem Fachwerk das Bild der fränkischen Orte prägen und auf denen die Augen so wohlgefällig verweilen.
Auch die Steine sind uns überkommen als Boten von damals nach heute, zusätzlich noch geformt und aufeinandergeschichtet zu vielen historischen Bauten, die soviel erlebt haben.
Ja, wenn Steine reden könnten.
Das sollte uns besonders an die altehrwürdigen Kirchen denken lassen. St. Georg, St. Wolfgang und die Allerheiligenkirche sind Stein aus unserem Stein. Gebrochen im Schweiß der Steinmetzen.
Unsere Vorfahren haben die Kirchen als katholische Kirchen gebaut zur Ehre Gottes. Sie sollten mitten im Dorf stehen und mit hochaufgerichtetem Turm und Kirchenschiff die Menschen an ihre himmlische Bestimmung gemahnen. Sie sollten Raum sein für das Gotteslob, den Dank an den Schöpfer, Ort der Zuflucht in Notzeiten und Ort der Bitte um Halt, Geborgenheit, Vergebung und Trost sowie Impuls zur Nachfolge Jesu. Stein um Stein spricht davon, dass die Kirchen ihren Menschen diesen Dienst leisteten, erst den katholischen Christen, nach der Reformation den evangelischen Christen.
Sie erinnern, die Steine. Unbeschadet ihrer konfessionellen Zuordnung, die in der Geschichte so gewachsen ist, erinnern sie an das Zentrale des christlichen Glaubens, und sie erinnern alle Menschen.
Durch die diversen Zuwanderungsbewegungen bereichert seit 100 Jahren wieder eine katholische Gemeinde den Ort, seit 1963 mit der mächtigen, katholischen Kirche St. Nikolaus, die das vorherige, zu klein gewordene Fachwerk-kirchlein ablöste.
Konfessionelle Auseinandersetzungen sind gottlob heute Geschichte. Zwar ragen auch sie in Gestalt der Konfessionen und der unterschiedlichen Kirchen aus der Geschichte herein in unsere Zeit. Sie sind aber dem guten ökumenischen Miteinander gewichen, in Wendelstein ganz besonders. Der Milleniumsstab etwa, ein im Jahr 2000 gestiftetes ökumenisches Symbol, erinnert Jahr für Jahr in einer der Kirchen an die gemeinsame, ökumenische Verpflichtung. Darüber hinaus zieht ein weiteres Symbol, die ökumenische Fahne, noch einen größeren Kreis, indem sie die kirchlichen Gemeinden und die politische Gemeinde aneinander weist und an die gemeinsame Verantwortung für die Menschen, die hier leben.
Diese bezeugte Gemeinsamkeit ist, wie vieles andere, etwa das Leben in den ca 70 Wendelsteiner Vereinen Markenzeichen des
modernen Wendelstein
In den letzten Jahrzehnten ist aus unsichtbaren Steinen ein gemeinsames Haus Europa gebaut worden. Wendelstein ist mit seinen Partnerstädten im französischen St. Junien und im polnischen Zukowo in dieser besonderen weltlichen Ökumene freundschaftlich verbunden.
Mittelalterliche Handelswege mit Kaufmannszügen gibt es nicht mehr. Die Wallfahrt zu St. Wolfgang und Achahildis sind passé.
Die Eisenbahn von Feucht nach Wendelstein Geschichte, und das Wendelsteiner Bier auch.
Alte Handwerke sind verschwunden, Zainer, Papierer, Messerer, Drechsler, Zeitler und zuletzt auch die Metalldrücker.
Früher prägten sie mit vielen Kleinmanufakturen den Ort
Produktionsmethoden und Verkehrsanbindungen haben den Ort verändert. Pendeln in die benachbarte Metropole hat die Menschen mobiler gemacht. Die Wendelsteiner Welt ist weiter geworden.
Die moderne Marktgemeinde ist ein Ort mit hervorragender Infrastruktur von Verkehrswegen, Einkaufsmöglichkeiten, ärztlicher Versorgung, Möglichkeit der Kinder- und Seniorenbetreuung, kultureller Entfaltung, sportlichem Leben, jedweder Freizeitgestaltung und zudem Standort moderner Industrieansiedlung mit weltweit agierenden Firmen, nicht zu vergessen, guter Finanzkraft und ohne Schulden.
So präsentiert sich das heutige Wendelstein mit seinen ca. 16000 Einwohnern, geprägt durch seine spezielle Geschichte und den speziellen fränkischen Lebensraum.
Namen möchte als letztes im Kontext dieses Jubiläums noch nennen, Namen, die auch herüberragen aus der Geschichte,
Namen, mit denen wir uns ganz gern schmücken
Wer an früher denkt, dem fällt mancher Name ein, ob Bauernbrunner, Don Camillo oder Krausenboder und viele andere.
Zurecht aber schmücken sich die Wendelsteiner mit vier historischen Namen.
- Da ist zunächst Achahildis, die Ortsheilige, sozusagen unser Saint Junien, unser Swiety Stanislaw. Ihre Heiligenlegende lässt sie ein wenig als die Heilige Elisabeth von Wendelstein und Gönnerin der St. Georgskirche erscheinen, die gestohlene Gänse zum Leben erweckte, im Winter Amaryllen ernten konnte und ihre Handschuhe an Sonnenstrahlen aufhängen konnte. Man weiß nichts historisch Präzises von ihr, außer, dass ihr Sarkophag in der St. Georgskirche Ort einer Wallfahrt war, was 1402 zu einer Erweiterung der Kirche führte. Ebenso dass Ihre Gebeine in einem Reliquienschrein in dem Sarkophag ruhten, der jetzt als Mensa den Altar der Georgskirche bildet. Darauf war früher zu lesen: „Hier ruht Frau Achzin, ein stifterin dies Gotshaus.“
- Dann kommt Johann Dobeneck aus Raubersried, genannt Johannes Cochläus, der erbitterte Gegner Martin Luthers, einer der bedeutenden Universalgelehrten seiner Zeit. Aus Raubersried! Leider wissen wir nur von seinem wissenschaftlichen Ruhm, nicht jedoch, mit wem er als Kind gespielt hat, oder ob er seine Lehrer geärgert hat. Aber er ist der berühmteste Sohn des Ortes, der dazu noch mit der lateinischen Namenswahl als Humanist, seinem Herkunftsort Wendelstein ein besonderes Denkmal gesetzt hat. Cochläus = der Wendelsteiner, nach lateinisch cochlaea: die Schnecke, der Treppenturm, eben der Wendelstein. Es ist nur recht und billig, den 1479 Geborenen und die nach ihm benannte Straße zu erwähnen.
- Daneben aus gleicher Zeit, Kunigunde Kreutzer aus Wendelstein am Berg. Auch sie und ihre Straße ein Muss. Ihre Ehe mit Hans Sachs, hat Wendelsteiner Nasen und Wendelsteiner Kirchweihbrauchtum literarisches Niveau beschert, weil der Nürnberger Schuhmacherpoet beide in Reimen verewigte.
- Schließlich Adam Scharrer, der Arbeiterschriftsteller des 19. und 20. Jahrhunderts, drei Jahre seines Lebens im Kleinschwarzenloher Hirtenhaus ansässig. Er hat, wie kein anderer, die Armut kleiner Leute in unserem Raum dramatisch beschrieben; sein Lebensthema, voll authentischer Kraft. Sein Suchen, sein Kampf gegen Armut und Ausbeutung, gegen Krieg verdient heute noch Beachtung. Die Antworten auf seine Fragen sind in unserer Generation nicht vollends gegeben.
So sind es auch Namen von Menschen, berühmter und unbekannter Leute, die zu uns in die Jetztzeit herüberragen aus der fernen und näheren Geschichte unseres Ortes.
Schlussgedanke
Ein Jubiläum beschreibt eine Zäsur - etzertla - man hält inne als Zeitgenosse und blickt zurück. Ohne Jubiläum gäbe es vielleicht außer für die Leute vom Heimatverein und ihre verdienstvolle Dokumentation des Vergangenen, gar keinen Anlass und Grund dazu. Und das nächste große Ortsjubiläum ist höchstwahr-scheinlich erst in 50 Jahren.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft berühren sich für einen Moment symbolisch und tauschen ihre Kräfte aus. „Fräiers-etzertla und nachert“.
Ein Jubiläum stärkt die Liebe zur Heimat, stiftet Zugehörigkeit,
schärft die Verantwortung, sich des Überkommenen würdig zu erweisen, aus den bitteren Erfahrungen zu lernen und das Gute in die Zukunft zu tragen.
Mit dem Blick auf die Geschichte gilt es neu, Bürgerstolz und Gemeinsinn, Verantwortung und Glauben zu lernen, zu üben und zu leben – von Sperberslohe bis Neuses.
Es gilt für alle, die hier wohnen, arbeiten und leben, sich so der Heimat unseres ganzen Ortes Wendelstein zu freuen und gemeinsam Zukunft zu gestalten.
Ein Wort der Heiligen Schrift bringt das für mich auf den Punkt – als Auftrag Gottes, heute, am 15. Februar 2009, gerichtet an die gegenwärtigen Wendelsteiner Leute von den Kindern bis zu den Senioren:
„Suchet der Stadt Bestes – und betet für sie zum HERRN“
(Jeremia 29, 7)
Wohlgemerkt - Letzteres nicht zu vergessen.