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7. S n. Trinitatis

 

Solches Brot!!

 

 

 

Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk  tust du? Unsre Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht

(Psalm 78,24): »Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.«

Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.

Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.

Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot.

Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und  wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

 

                                                                                                           Johannes 6, 30-35

 

 

Liebe Gemeinde,

 

nie werde ich es vergessen, jenen Besuch 1972 in Moskau bei einem Gottesdienst der damals sogenannten Untergrundkirchen. Heimlich und verstohlen, wenn auch sicher nicht vom NKWD unbemerkt, waren wir dort in den Keller eines Hauses geführt worden. Einen Gottesdienst ohne Pfarrer mit Laienpredigern, fünf Predigten, erlebten wir, gewaltig in ihrer Wirkung, das war zu spüren, obwohl wir kein Wort verstanden haben. Wir, das war eine Gruppe von Studenten und Vikaren. Nach dem Gottesdienst war man noch etwas beieinander und dann stellten die Gastgeber – und deswegen erinnere ich mich heute daran – die für sie entscheidende Frage auf Deutsch: „Habt Ihr Brot“? Wir waren verdutzt, hungrig sahen sie nicht aus. Warum dann diese Frage? Es klärte sich schnell. Sie hatten gemeint, ob wir Bibeln mitgebracht hatten, denn Bibeln zu drucken, war damals in der UdSSR, wenn nicht verboten, dann wegen Papierrationierung schier unmöglich. Bibeln – so kostbar wie Brot. Das Buch der Bücher als Brot des Lebens. Dieses Brot hatten wir dabei, jeder hatte ein paar Bibeln in seinem Koffer geschmuggelt. Die offizielle Einfuhr war damals auch verboten.

 

Gib uns solches Brot, Brot, das innerlich satt macht.

 

Wir haben bei uns in jedem Buchladen ganz viele verschiedene Bibelausgaben, verschiedene Übersetzungen, Luther, jetzt gerade wieder aktualisiert zum Reformationsjubiläum, und modernere, Kinderbibeln, Bibel als Comics, Bibeln mit Goldschnitt, Schülerbibeln. Man weiß gar nicht, welche man kaufen soll. Es gibt dabei vielfältige Marketingwege, vom Buchumschlag bis zur modernsprachlichen Fassung, Bibeln dem Menschen von heute nahezubringen. Den Menschen in Moskau wäre das egal gewesen, es hätte auch eine zerflädderte, gebrauchte Bibel sein können in altmodischer Sprache, Hauptsache der Inhalt, das Brot des Lebens.

Ja, Hauptsache der Inhalt.

 

Uns stünde der Inhalt uneingeschränkt zur Verfügung, aber wir müssen uns die Frage gefallen lassen, ob uns das Wort Gottes so wichtig ist, wie das tägliche Brot. Wir also daran denken, dass unsere Seele ihre Nahrung ebenso braucht wie unser Körper. Die Menschen, mit denen Jesus in unserer biblischen Geschichte spricht, haben IHN nicht verstanden, wenn sie beim Brot vom Himmel an das alttestamentliche Manna denken, jene Himmelsnahrung, die ihnen in der Wüste das Überleben gesichert hat und sie sensibel dafür gemacht hat, dass wir Tag für Tag unser Leben allein aus Gottes Hand empfangen.

 

Aber wenn Jesus sich als Brot des Lebens in die Waagschale wirft, dann geht es um mehr als ums Überleben, dann geht es um das ewige Leben. SEIN Wort möchte unsere Seele erreichen und den Hunger und den Durst nach dem“ Eigentlichen“ stillen, das im Leben wichtig ist.

 

Das müsste bei uns höchste Aufmerksamkeit auslösen.

Zwei Fragen dazu stelle ich heute:

 

1.      Was ist es aus dem Heiligen Buch der Christen, was solche Kraft und Wirkung hat, Lebensdurst und    Lebenshunger auf ewig zu stillen?

2.      Wie erreicht diese gute Botschaft unser Inneres, unsere Seele?

 

Zum Ersten:

Es ist ja nicht so, dass wir das nicht wüssten. Zumindest theoretisch. Als ordentlich fromme, mittelfränkische Christenmenschen könnten wir auch von unserem Glauben erzählen.

Wir könnten erzählen, dass wir Lutheraner sind, dass wir glauben, gerecht zu werden, ohne des Gesetzes Werke, weil Gott uns in Christus SEINE Gnade schenkt.

Und deswegen Luther uns eingeschärft hat, allein der Glaube macht selig, allein Jesus Christus ist unser Retter, allein die Gnade macht uns dessen gewiss, allein in der Heiligen Schrift erfahren wir davon.

Nicht zu vergessen, dass wir unseren Nächsten lieben sollen.

 

Aber wenn ich das so recht sehe, steht unser Glaube dann manchmal wie auf einem theoretischen „Protestantismus-Sockel“ jenseits unseres alltäglichen Verhaltens. Das Bedürfnis, sich an diese gute Lebenskraft anzukoppeln, verkümmert dabei gleichzeitig in einem löcherig gewordenen geistlichen Leben.

 

Muslime um uns herum geben uns ein gutes Beispiel, wenn sie z. B. in ihrem Fastenmonat Ramadan das Essen tagsüber tauschen mit dem „geistlichen Essen“, um durch die Fastenübung wieder ein Gefühl dafür zu kriegen, was sie an der Botschaft ihres muslimischen Glaubens haben.

 

Ich nehme einmal ein paar große Begriffe unseres Glaubens heraus, die die Heilige Schrift nicht müde wird, an unser Leben heranzubringen, um es zu erfüllen, uns zufrieden zu machen, uns zu befrieden und friedfertig zu machen. Durch die Hl. Schrift sollen sie andocken an die Fühler unserer Seele.

 

Gottvertrauen - Gott meint es gut mit mir

Geborgenheit - wir sind geborgen in Gottes Hand

Vergebung - Gott verzeiht und schenkt einen neuen Anfang

Hoffnung - HE´s got the whole world in his hands…

Erlösung - durch Christus öffnet sich uns das ewige Reich Gottes

Heiligung - ich halte mich an Gott fest

Nächstenliebe - jeder Mitmensch ist meiner Hilfe und Aufmerksamkeit wert

Nachfolge - Jesus bestimmt die Regeln meines Lebens

 

Gut, das alles ist theoretisch nichts Neues. Aber immer wieder steckt zu viel Angst in uns, Zweifel schon auch, angesichts dessen, was alles in der Welt passiert, aber doch hauptsächlich Angst, Angst vor der Zukunft, den Lebensrisiken, Angst auch, zu kurz zu kommen im Leben, Angst, das eigentliche Leben, so wie wir es verstehen, zu versäumen vor lauter Alltagspflicht.

Und die Gegenseite ist die Gier, die in uns schlummert, die, wenn sie zutage tritt, ein Leben buchstäblich vergiften kann. Ich sage ein paar Beispiele, die Gier nach Lebenslust, die Gier nach Erfolg, die Gier nach Konsum, die Gier nach Anerkennung, einfach die Gier nach mehr haben wollen, nach Macht über Andere vielleicht. usw. Und Gier macht süchtig. Sogar: „Ein jeder Wunsch, kaum er erfüllt, kriegt augenblicklich Junge“. (Wilhelm Busch) Wer wollte bestreiten, dass das alles mehr oder weniger ausgeprägt in uns allen steckt, Ausdruck dafür, dass wir innerlich nicht gesättigt sind.

 

Das Schlimme ist, dass sowohl Angst als auch Gier zu unserer genetischen Struktur als Menschen gehören und dem Menschen seinen Status in der Entwicklung gegeben haben. Aber wenn es zum Lebensgefühl schlechthin wird, dann zeigt es das Defizit des Menschen als Sünder auf. Jeden Tag lesen wir in der Zeitung davon.

 

Die guten Gedanken des Glaubens legen da ein Gegengewicht in unsere Seele. Ein Gegengewicht gegen die Angst, denn in Gottes Händen darf ich mich geborgen wissen, was auch immer geschieht: “Weiß ich den Weg auch nicht, DU weißt ihn wohl, das macht die Seele still und friedevoll“. IHM darf ich vertrauen, IHM „der mir alle meine Sünden vergibt, der mein Leben vom Verderben erlöst und mich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit.“ ER legt ein Gegengewicht in meine Seele, wenn ich mich schlecht und schuldig fühle und nichtsnutzig, ER verzeiht mir und zeigt mir mit Christus den richtigen Weg. „ER hilft meiner Schwachheit auf“.

ER legt ein Gegengewicht gegen Angst und Gier in meine Seele, weil ich durch Christus wissen darf, dass ich für die Ewigkeit bestimmt bin. ER legt ein Gegengewicht in meine Seele, indem ER mich mit einem Auftrag bedenkt und meine Kräfte dahin lenken möchte. Zur Nachfolge Jesu bin ich berufen, mich zu heiligen, das heißt, immer wieder nach Gottes Willen zu fragen, mich an Ihm festzuhalten, etwas übrig zu haben für meinen Nächsten.

 

Dieses Gegenprogramm zum Lauf der Welt will mir Gott mit dem HERRN Jesus  ins Herz legen, ER, seine Botschaft an uns, sein Werk an uns, SEINE Erlösung für uns, das ist das Brot des Lebens, das satt und zufrieden macht. Darum betet eines unserer Gesangbuchlieder nach vielen Versen mit vorgetragenen Bitten:

„Und endlich, was das meiste, füll uns mit DEINEM Geiste,

der uns hier herrlich ziere und dort zum Himmel führe.“ (EG 58, 14)

 

Zur zweiten Frage:

Diente das bisher gesagte der Erinnerung daran, was wir an unserem Glauben haben, gilt es jetzt zu fragen, wie das festhalten, wie das neu aktivieren für unser Leben.

 

Eine Urlaubserinnerung hilft mir bei meinen Gedanken:

An der Nordseeküste brandet ein ständiger Kampf um das Land. Und die Bauern dort haben ein Verfahren der Neulandgewinnung entwickelt. Dazu werden Areale abgesteckt und mit geflochtenem Zweigwerk eingezäunt. Wenn dann nach der Flut das Wasser wieder abfließt, dann halten die kleinen geflochtenen Zäunchen den Schlammanteil und die festen Stoffe im Wasser zurück und so baut sich ganz allmählich neues Land auf. Diese Urlaubserinnerung ist mir in den Sinn gekommen, hier bei unserer Frage, wie es uns gelingen kann, aus dem Strom des Evangeliums, der uns begegnet, etwas für uns festzuhalten.

 

Die in der Kirche bewährten Regeln des geistlichen Lebens, helfen, Glauben festzuhalten: Stille, Regelmäßigkeit, Üben.Ich will mich nicht jedes Mal fragen müssen: Will ich jetzt beten, bin ich jetzt in der Stimmung, will ich heute zum Gottesdienst gehen, oder bin ich nicht in der Stimmung, gehe ich heute zum Abendmahl oder dauert mir das zu lang,  usw. Die Regelmäßigkeit nimmt dem Versucher die Argumente aus der Hand, mit denen er uns vom Evangelium fernhalten will.

 

Wenn ich bete, berge ich mein und anderer Menschen Leben vertrauensvoll in Gottes Hand. Gott ist am Werk mit mir und ich empfange mit den Gedanken meines Gebets zugleich etwas zurück, Brot des Lebens, Brot für das Leben, Mut und Zuversicht, Gelassenheit und die Gewissheit „es kann mir nichts geschehen, als was ER hat ersehen.“

 

Wenn ich in der Bibel lese, jener aus der Mode kommenden lutherischen, geistlichen Regel, dann strömen Gottes gute Gedanken in meine Seele ein. Das macht etwas mit mir. Es ist so, als spräche der HERR selbst mich an, ich erkenne mich und mein Wesen in den vielfältigen biblischen Gestalten und alle tragen nur den einen Gedanken zum Festhalten an mich heran: „Der HERR Dein Gott ist mit Dir in allem was Du tun wirst.“.

Unvergessen ist mir ein Hausbesuch in meiner früheren Gemeinde. Im Austragszimmer des alten Herrn war ein Tisch, auf dem lag seine Brille griffbereit und dazu aufgeschlagen, das Herrenhuter Losungsbüchlein, aufgeschlagen für den Tag, die Bibel und ein Postillenbuch, wie man früher sagte, mit Predigten zum Vorlesen durch den Hausvater. Das war immer so aufgeschlagen bei ihm, er ließ die Botschaft des Evangeliums sein Leben durchpulsen.

 

Ein Wort noch zum Gottesdienst. Sonntag für Sonntag bietet er uns die Chance, etwas aus dem Evangelium für das eigene Leben festzuhalten und mitzunehmen. Wie andere geistliche Angebote ist auch der Gottesdienst so ein Zaungeflecht, das aus dem Strom des Evangeliums etwas festhalten hilft. Klipp und klar gesagt: Wer nicht geht, oder auch, wer meint, einmal im Jahr an Weihnachten reicht, der schadet sich selbst, er schadet seinem Glauben. Er nimmt sich die Chance, die guten Gedanken des Evangeliums festzuhalten und sei es nur mit einem Brotkrumen aus dem großen Schatz des Evangeliums, den eigenen Glauben anzureichern und so seine Tragfähigkeit zu kräftigen, wie bei der Neulandgewinnung.

  

Im Leben gibt es so viele Erfahrungen, die unseren Glauben strapazieren und manchmal irritieren, umso wichtiger ist es, den Glauben zu pflegen und alle Gelegenheiten zu nutzen, den Glauben zu stärken, Christus immer wieder neu in unser Herz zu nehmen, um unsere Seele von IHM, dem Brot des Lebens, nähren zu lassen.

 

„Gib uns solches Brot“! Machen wir das zu unserer Bitte,

vielleicht mit den schon zitierten Worten aus einem der schönsten Choräle in unserem Gesangbuch:

 

„Und endlich, was das Meiste.

Füll uns mit DEINEM Geiste,

der uns hier herrlich ziere

und dort zum Himmel führe.“

 

 

 

Amen!

 

 

 

 

 

 

Gottesdienst zum 7. Sonntag nach Trinitatis in der Auferstehungskirche Fischbach/Nürnberg, 7. August 2017

 

 

 

 



Horst D. Stanislaus