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Kirchweih_2015

Heute muss ICH zu Dir!

 

 

 

 

 

Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden. Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn. Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

 

 

                                                                                                                                                                  Lukas 19, 1-10

 

 

Liebe Gemeinde,

 

draußen hängen die Bilder von der Einweihung dieses Gemeindehauses. Was war das für eine Freude in Wintersdorf. Wie im Evangelium damals in Jericho gab es auch fast keinen Platz mehr, um was zu sehen. Das neue Haus, die Prominenz. Endlich ein Raum zum Zusammenkommen unter Gottes Wort. Lang ist das her, schier 40 Jahre. Leute sind auf den Bildern zu sehen, die Pfarrer längst im Ruhestand, Gemeindeglieder, ja, manche erkennt man noch. Ach der, die, na, damals waren sie noch jung. Manche kennt man auch nicht mehr. Die Erinnerung der Generationen reicht nicht weit. Ach, ja, Du warst auch dabei, damals auf dem Bild. „Heute muss ICH in Deinem Haus einkehren“. Die Botschaft ist die gleiche geblieben, als Jesus den Zachäus auf seinem Baum ansprach, als das Gemeindehaus 1976 eingeweiht wurde und jetzt, wenn wir miteinander im Gottesdienst sitzen.

 

Das Stichwort „Haus“ ist das Symbolwort für die Begegnung mit Jesus. Nicht die Ausnahmesituation der Neugier auf dem Baum. Nicht die Einweihung, die Kirchweih ist der wichtige Punkt. Nein, daheim, in seinem Lebenskreis ist der Ort der Begegnung. Und letztendlich zeigt die Geschichte, es geht um das Lebenshaus selbst, um das Herz des Zachäus.

 

So finden wir uns heute in dieser Geschichte wieder, angesprochen als wäre Zachäus die Rolle, die uns auf dem Leib geschrieben ist. Er ist ja ein absoluter Sympathieträger in den biblischen Geschichten. Wir mögen ihn von Kindheit an. Ihn, mit dem man sich identifizieren kann, neugierig, eifrig, klein, ideenreich. Zwar hat er viel Dreck am Stecken, aber von dem Moment an, als Jesus vor dem Baum stehen bleibt, macht er alles richtig. So richtig, wie wir es auch gern tun würden.

 

Beth-El heißt im Alten Testament Haus Gottes.

Euer Gemeindehaus ist ein Haus Gottes, ein bescheideneres als ein Dom, aber ein Haus Gottes, dessen Liebe und Wohlwollen über denen strahlt, die hierher kommen, um SEIN Wort zu hören und gestärkt in das andere Haus, das Lebenshaus gehen, um Glauben zu leben.

Ihr selbst seid auch ein Beth-El, ein Haus Gottes, als Tempel des Heiligen Geistes. „Heute muss ICH in Deinem Herzen einkehren!“

Mit diesem Hintergedanken, mit dieser Stimme im Ohr, sollen wir in die Kirche gehen, Gottesdienst feiern und die Bibel lesen: Die Stimme des HERRN für uns, SEIN Ruf, SEIN Trost, SEIN Impuls.

 

Wobei ich vom Eifer des Zachäus gerne lernen möchte.

 

Einmal im Jahr Kirchweih zu feiern oder die Geschichte des Zachäus zu hören, verleitet dazu, an seltene, vielleicht einmalige Ereignisse zu denken. Und das gibt es ja auch. Für Zachäus, so kann man sage, ist die Begegnung mit Jesus seine Bekehrung, prägend für den Rest seines Lebens, ein Ereignis, das er nie vergessen wird. Das Kirchweihfest greift nicht in gleicher Weise in die Seele prägend ein. Die meisten gehen nicht einmal zum Gottesdienst. An vielen Orten beginnt das Treiben im Bierzelt schon zur üblichen Kirchzeit. Aber sei‘s drum.

 

Ich will auf etwas anderes hinaus. Der Ruf Jesu nach unserem Herzen: „Heute muss ICH in Deinem Hause einkehren!“ trifft uns oft und oft und immer wieder. Ich behaupte, Tag für Tag.

 

Ich denke an Momente, in denen uns etwas auf die Seele fällt. Etwas wird bewusst, trifft uns, ein Schicksal, von dem wir hören, ein jugendlicher Flüchtling, dessen Geschick uns berührt. Nicht immer können wir uns abschotten und Probleme einfach wegschieben. Die Stimme heißt dann: „Mach was für die Flüchtlinge!“ oder „Besuch die mal!“ Es ist die Stimme des HERRN! Manchmal schlägt es durch, mitten in unser Herz und wir sind betroffen. „Heute bin ICH in Deinem Hause eingekehrt“.

 

Ein Schicksal kann es sein, wie gesagt, aber auch ein plötzlicher Gedanke, der nicht mehr loslässt, ein Mensch, der uns begegnet.

Ja, unser Herz ist das Haus, das Jesus betreten möchte.

 

Worte Gottes, Worte Jesu können es sein, sie sind der direkte Weg Jesu in unsere Seele. Jedes Wort Gottes hat den Anspruch, unsere Seele, unser Herz, unsere Sinnen und Gedanken zu erfüllen und so einzukehren in unser Haus. Worte die uns gut tun. Worte sind das, zum Bewegen im Herzen, zum Auswendiglernen. Konfirmanden muss man vielleicht immer wieder einmal sagen, dass das nichts stumpfsinnig

Sinnloses ist, etwa den 23. Psalm zu lernen. Im Englischen kommt leichter rüber, was da passieren soll, wenn wir uns etwas einprägen. „learning by heart“. Da kehrt ein Wort Gottes in unsere Seele ein, wenn wir es uns zu Eigen machen. Für manchen ist das Herrenhuter Losungswort so ein täglicher Kirchweihbesuch des HERRN bei uns. Aber auch sonst säumen viele vertraute Gottesworte unseren Lebensweg, uns zugesprochen bei verschiedenen Anlässen. Bei der Taufe: der Taufspruch meint nichts anderes als dies. „Heute muss ICH in Deinem Hause einkehren.“ Der Konfirmationsspruch, der Trauspruch, manches biblische Motto, wenn wir zu Beerdigungen gehen müssen: Wir hören es und es heißt, wie auch immer das Wort lautete „Heute muss ICH in Deinem Hause einkehren“. Lassen wir die Worte Gottes, die uns begegnen, hinein in unser Herz - sie treffen uns vielfach, viel häufiger als wir denken. Manchmal steht plötzlich ein Satz aus der Bibel an einer riesigen Plakatwand in der U-Bahn.  Lassen wir die Worte Gottes nicht einfach verhallen, sondern beziehen wir sie doch auf uns, als würde uns Jesus, wie weiland den Zachäus ganz persönlich ansprechen wollen: „Heute muss ICH in Deinem Hause einkehren“.

 

Und was passiert dann: Bei Zachäus wurde allerhand ausgelöst, das sein Leben veränderte, er orientierte den Kompass seines Lebens neu. Zeigte die Magnetnadel bisher automatisch immer auf ihn, zeigte sie jetzt auf Christus und gab ihm die Richtung vor.

 

Wie ist unsere Reaktion? „HERR komm in mir wohnen ..“ heißt es in einem unserer Lieder als unsere Antwort und Bitte. Gottes guter Geist, der SEINEN Worten Kraft verleiht, möchte etwas in uns bewirken. Ich sage mal, individuell portioniert, was einer, Du oder ich, gerade für seine Seele braucht, was uns gut tut für Zeit und Ewigkeit. Da fließt uns aus dem Herzen Gottes etwas zu von der Liebe Gottes:

Trost und Kraft, „ICH bin bei Dir!“

Freude und Dankbarkeit „Vergiss nicht, was ER Dir Gutes getan hat!“

Ermutigung „MEINE Kraft ist in den Schwachen mächtig“

Vergebung „Ich bin der HERR, Dein Arzt ..“

Impuls: „Liebe Deinen Mitmenschen“

Perspektive: „Heute wirst Du mit MIR im Paradiese sein!“

Sinn: „Du sollst ein Segen sein!“

 

"Ins Wasser fällt ein Stein ...“ in diesem Lied wird das beschrieben, was passiert „wo Gottes große Liebe in einen Menschen fällt …“ da werden Ringe sichtbar, wie auf der Wasseroberfläche. „..teilst Liebe aus ...“

 

Daran erinnert Kirchweih. Heute sagt man wohl Input/output. Oder etwas platter, nur wo was drin ist, kommt was raus. Ist was drin in uns. Sind die guten Worte Gottes drin in uns und lassen wir sie gern ein in unser Herz, wo immer sie uns begegnen? Lernen von Zachäus heißt auch, etwas dafür tun.

 

Denn ich muss schon gestehen, so einfach ist es ja nicht immer, das Wort Gottes zu verstehen, schon einmal mit dem Kopf, aber auch noch mehr mit dem Herzen. In der Regel haben wir nicht die Zeit, oder wir nehmen sie uns nicht, einem Wort nachzusinnen, um es unserer Seele zu erschließen, dass es die Anknüpfungspunkte in unserem Leben findet und andocken kann, wie ein heilsames Medikament. Nicht immer geht das so anscheinend leicht und selbstverständlich, einsichtig wie bei Zachäus. Wobei es ihn überwältig hat, dass er so handeln konnte, wie er handelte. Da merkt man etwas von der Kraft des Wortes Gottes. Die ist eine andere als das freundliche Hören auf eine Predigt, die beim Nachhauseweg das wohlige Gefühl hinterlässt: „Schöi hat er‘s gmacht.“

 

Ich erinnere mich, wie einer meiner theologischen Lehrer in Neuendettelsau, Prof. Eduard Ellwein von der überwältigenden Kraft des Wortes Gottes erzählte. Er sprach davon, wie man oft und oft im Leben manche biblischen Worte mit sich trägt, so wie „der HERR ist mein Hirte“. Und plötzlich sagte er, kann es passieren, dass einen so ein Wort anspringt wie ein Löwe.“ Wir haben damals als Studenten eher geschmunzelt über diese blumige Aussage. Aber genauso ist es und genau so kann es passieren, wenn Gottes große Liebe in einen Menschen fällt.

 

Nochmal zurück, wie kommen wir zu einem innerlichen Verständnis eines Gottesworte, wie etwa dieses heute: „Heute muss ICH in Deinem Hause einkehren?“ Haben Sie sich schon mal selbst eine kleine Auslegung geschrieben. Komische Idee, aber manchmal hilft es, aufzuschreiben, was man denkt und was einem dazu einfällt.

 

Ich erinnere mich an eine Erfahrung vor vielen Jahrzehnten. Ich war ein Junge von 18 Jahren und war auf dem Waldfriedhof in Zirndorf, um ans Grab meiner Großeltern zu gehen. Plötzlich kam mir das Wort aus dem Psalm in den Sinn: „HERR, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“.  War ja heuer die Kirchentagslosung.

 

Ich sehe mich noch heute durch das Gräberfeld gehen und man kann sagen, ich habe mir damals  eine Predigt ausgedacht, was die biblischen Worte für mich heißen. Verstärkt wurde der Eindruck noch, als ich dann eine paar Wochen später in der Schule einen Aufsatz zu diesem Thema schreiben musste, etwas weltlicher ausgerückt. Das Thema hieß: „Wie würden Sie den Satz „memento mori“ interpretieren, um ihn zu einem Lebensmotto werden zu lassen? Es war für mich das Thema, und ich schrieb in einem Stück den Aufsatz nieder, weil ich ja, ohne es zu ahnen, gedanklich strukturiert,  vorbereitet war. Anders als die Aussage der Philosophen war es im Psalm ein Gebet und das macht den Unterschied. Dazu gehört dann noch als Auswirkung das tägliche Gebet am Abend. "Ein Tag der sagt‘s dem andern …“, jeden Tag gebetet im Zirndorfer Pfarrhaus meines Schwiegervaters, wenn beim Abendbrot das Abendläuten vom Kirchturm klang.

 

Durch das Schreiben beim Aufsatz hat sich mir das Psalmwort ganz persönlich erschlossen.

 

Beziehen wir Gottesworte, wo immer sie uns begegnen, bei der Kirchweih oder einfach im normalen Alltag, auf uns, als persönliche Anrede Jesu: „heute muss ICH in Deinem Hause einkehren ...“ Und versuchen wir uns die guten Worte Gottes anzueignen, innerlich, vielleicht auch einmal mit aufschreiben. Nie ist Gottes Wort so etwas, wie ein allgemein gültiges Statement. Es meint uns immer ganz persönlich und sagt „Du!“ Das ist seine Aufgabe an uns.

 

Eines bleibt dabei sicher, es wird seine Aufgabe erfüllen, denn die Verheißung gilt, dass Gott nicht zulässt, dass sein Wort leer, also unverrichteter Dinge, zu ihm zurückkehrt.

 

"Rede, HERR, so will ich hören und Dein Wille wird‘ erfüllt …"

 

 

Amen!

 

 

 



Horst D. Stanislaus